Das grüne Mäntelchen der Farbrezepturen

racken steht für ganzheitlich nachhaltige Kommunikation. Seit 2010 agieren wir mit diesem weitgehend frei von Kompromissen umgesetzten Profil auf dem Markt. Natürlich haben wir uns in diesem Zusammenhang auch die Inhaltsstoffe von Offset-Druckfarben angesehen und im folgenden Beitrag vom 21. September 2010 zusammengefasst. Inzwischen hat sich viel getan – die Epple Druckfarben AG hat die kritischen Hinweise beispielsweise für die Entwicklung neuer Druckfarben ernst genommen (siehe Updates).

[21.09.2010] Auf der Suche nach Druckpartnern für ganzheitlich ökologische Produkte erfuhren wir noch vor fünf Jahren von seltsamen Erfahrungen der Drucker. Das Märchen von Stapeln, die beim Trocknen eine gefährliche Hitze entwickeln, war ein Beispiel für das bis dahin schleppende Engagement in der Druckbranche bei der Umstellung auf Druckfarben, die aus regenerativen Rohstoffen hergestellt wurden.

Inzwischen sind sich alle großen Farbenhersteller ihrer ökologischen Verantwortung bewusst geworden. Offsetdruck mit »Bio-Druckfarben« scheitert nicht mehr an Normen oder der Verfügbarkeit nachhaltig gewonnener organischer Ingredienzen. Doch Bio-Farbe ist nicht gleich völlig unbedenklich – und vor allem nicht zu 100 Prozent bio…

Inhaltsstoffe herkömmlicher Offset-Druckfarben

  • Farbmittel, hauptsächlich Pigmente, werden als organische, anorganische oder synthetische kristalline Pulver zugesetzt. Pigmente sind unlöslich, lichtecht und meist nicht schwermetallhaltig. Organische Verbindungen werden aus Erdöl gewonnen (C/M/Y), für anorganische Pigmente werden Ruße verarbeitet (K). Anteil in Druckfarben: ca. 16 Prozent
  • Bindemittel, hauptsächlich Alkyd- und Hartharze, trocknende Öle, nichttrocknende Pflanzen- und Mineralöle oder vegetabile Ester in Mischungen als sogenannte Firnisse, dienen als Trägerfluid zur Bindung von Farbmitteln und Bedruckstoff. Anteil in Druckfarben: ca. 78 Prozent
  • Additive tragen als Hilfsstoffe zur Beeinflussung rheologischer Eigenschaften wie Trocknung, Glanz oder Beständigkeit bei. Zum Einsatz kommen Katalysatoren wie organische Metall-Seifen, Antioxidantien oder synthetische Wachse. Anteil in Druckfarben: ca. 6 Prozent

Zahlreiche Inhaltsstoffe werden bereits durch alternative Ingredienzen aus nachwachsenden Rohstoffen ersetzt. Der Anteil dieser ist auch bei konventionellen Druckfarben seit jeher hoch: als Bindemittel werden Baumharze eingesetzt, als reaktives Lösemittel wird Leinöl benutzt und als Hilfsstoff kann beispielsweise auch Bienenwachs verwendet werden.

Der Anteil von Mineralöl als Lösemittel für Hartharze gilt als ökologisch problematisch, weil es ein nicht nachwachsender und umstritten gewonnener, zudem wasserunlöslicher, unverseifbarer Rohstoff ist. Der Verzicht auf Mineralöl und der alternative Zusatz pflanzlicher Öle bei der Herstellung von Druckfarben zeichnet also Bio- bzw. Öko-Druckfarben aus. Der deutsche Druckfarben-Hersteller Epple beschreibt seine Öko-Druckfarben so:

»Das herausragende Merkmal der Ökofarben ist, dass sämtliche Mineralölanteile durch pflanzliche Öle ersetzt wurden. Beachtet man die Schemarezeptur einer Farbe so wird deutlich, in welch großem Unfang sich eine Ökofarbe von einer Mineralölfarbe unterscheiden kann. Den Löwenanteil nimmt das Bindemittel mit einem Prozentsatz von über 50 % ein. Es besteht aus einer Lösung von Harzen in Ölen im ungefähren Verhältnis 1:1. Allein durch den Ersatz des Mineralöls durch pflanzliche Öle im Bindemittel werden bis zu 35 % einer Farbrezeptur auf regenative Rohstoffquellen umgestellt. Der Ersatz von Mineralölen erstreckt sich hin bis zu den mengenmäßig weniger ins Gewicht fallenden Additiven, wie Trockenstoffen und Wachspasten.

Die einzige Komponente, in der keine nachwachsenden Rohstoffquellen zum Einsatz kommen, sind im Augenblick die Farbmittel, respektive die Pigmente. Dies sind Syntheseprodukte, die ihren Ursprung in der Regel im Erdöl nehmen. Grund dafür ist, dass zur Zeit keine natürlichen Pigmente mit vergleichbaren technischen Eigenschaften (v. a. Farbstärke, Brillanz, Lichtechtheiten und Dispergierbarkeit) zur Verfügung stehen.

Die Tatsache, dass heute bis 80 % einer Farbe auf regenerative Rohstoffe beruhen können, zeigt, dass sich Ökofarben chemisch deutlich von den mineralölhaltigen Farben unterscheiden.«

Kritik

Wurden die Möglichkeiten zur Entwicklung ganzheitlich ökologischer Druckfarben ausgereizt? Welche pflanzlichen Rohstoffe werden verwendet? Erfüllen die Anbaugebiete und -methoden die Kriterien nachhaltiger Land- und Forstwirtschaft? Sind die angebauten Sorten naturbelassen oder gentechnisch verändert? Sind die Arbeitsbedingungen, unter denen Ernte und Verarbeitung der Rohstoffe stattfinden, sozial verantwortbar?

  • Grundstoff der als Bindemittel eingesetzten Flüssigharze (Alkyde) ist u. a. Sojaöl. Soja wird überwiegend in Südamerika produziert, wo 52 % der globalen Ernte eingefahren wird. Es werden dabei vor allem transgene Sorten mit gentechnisch verändertem Saatgut angebaut. Zur Vergrößerung der Ertragsflächen werden in Argentinien und Brasilien fortwährend große Flächen des Tropischen Regenwaldes abgeholzt und urbar gemacht. Bis 2006 wurden 15 Prozent der gerodeten Fläche für den Anbau von Sojabohnen verwendet. 13 Prozent des Regenwaldes insgesamt fielen bis 2006 bereits der Abrodung und Kultivierung zum Opfer (»Soybean boom spells bad news for climate«, New Scientist, Bd. 194, Nr. 2.600, 21.04.2007, S. 12). Das Abholzen tropischer Regenwälder führt zur irreversiblen Zerstörung des Ökosystems mit weitreichenden Folgen für die Artenvielfalt und das Klima im Amazonasbecken und weltweit.
  • Grundstoff der Hartharze ist Kolophonium, das aus Portugal, Brasilien, Mexiko oder China bezogen wird. Es wird aus Rinde oder Wurzeln gewonnen, die durch chemische Modifikation zu einem gezielt eingestellten Hartharz verarbeitet werden. Aus welchen Wäldern der Rohstoff stammt, ist nicht nachzuvollziehen. Der Schutz von Wäldern als Naturgüter müsste aber auch bei der Verwertung von Nebenprodukten gewährleistet sein. Kolophonium, ein Nebenprodukt der Forstwirtschaft, kann demnach auch aus Wäldern stammen, die nicht nach Richtlinien für nachhaltige Forstwirtschaft, beispielsweise kontrolliert durch den Forest Stewardship Council (FSC) oder das Programme for Endorsement of Forest Certification Schemes (PEFC), bewirtschaftet werden. Diese Organisationen stellen auch die soziale Verantwortung der Forstbetriebe und angeschlossenen Unternehmen sicher.
  • Farbmittel werden auch bei Bio-Druckfarben überwiegend petrochemisch hergestellt. Anders ist es bei den earthColours. Die Pigmente bestehen hier aus Erden und Eisenoxiden. Die Rückführung in den Naturkreislauf ist unbebedenklich, da die Molekularstruktur der verwendeten Substanzen nur geringfügig verändert wurde. Diese Offset-Druckfarben sind die einzigen, die zu 100 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt worden sind und daher keine petrochemischen und synthetischen Bestandteile enthalten. Für solche Produkte alleine dürfte der Name Bio- oder Öko-Druckfarbe verwendet werden. Erdfarben sind leider bisher unbeliebt, weil die farbverbindliche Reproduktion mehrfarbiger Bilder – jedenfalls im Vergleich zur konventionellen Druckproduktion mit Prozessfarben – nicht gewährleistet werden kann. Und sie sind bislang nicht erhältlich und wurden nur bei wenigen Pilotprojekten eingesetzt.
  • Schließlich sind Druckfarben und Bedruckstoffe nur zwei Aspekte. Druckplatten, Drucktücher und das alkoholhaltige Wischwasser, das die Oberflächenspannung für eine bessere Benetzung der Druckplatte herabsetzt, können leicht als umweltverträgliche Varianten, z. B. Drucktücher von Conti-Air oder Sinal als Ersatz für Isopropylalkohol, beschafft und eingesetzt werden. Auch hier wird eine ganzheitliche Implementierung ökologischer Verbrauchsstoffe in der Branche trotz stark zunehmender Nachfrage verschlafen.

Fazit

So richtig grün ist man sich nicht in der Szene – vor allem bei der Bezeichnung »bio«. Die marktführenden Hersteller von Offset-Druckfarben, Flint GroupHuber GroupJänecke+Schneemann und Epple Druckfarben haben den Anteil erdölbasierter Inhaltsstoffe auf immerhin fast 10 Prozent (Flint) bzw. 20 Prozent (Epple) senken können. Das Etikett »bio« suggeriert aber, dass es sich um ein aus rein natürlichen Ressourcen, nachhaltig hergestelltes Produkt handelt. Hier wird jedoch zur Bereitstellung der nachwachsenden Rohstoffe Tropischer Regenwald zerstört. Darüber hinaus sorgt gentechnisch verändertes Saatgut für ertragreiche Ernten. Die in der Papier- und Druckbranche etablierten Verpflichtungen zu den Prinzipien nachhaltiger Forstwirtschaft im Rahmen der Zertifizierung einer Produktkette (Chain of Custody) werden auf Importe von Forstnebenprodukten nicht angewendet und andere, unbekanntere Verbrauchsstoffe bei den Bemühungen für einen umweltgerechten Druckprozess kaum berücksichtigt.

Die erkennbaren Bemühungen müssen durch erheblich mehr Forschungsaufwand Rückenwind bekommen. Gleichzeitig muss eine nachhaltige Beschaffungspolitik den Raps-, Leinsamen- oder Sojabohnenanbau in den Herkunftsländern aktiv beeinflussen. Einkäufer wie Verbraucher werden das Vertrauen in Produkte mit einem halbherzig vorangestellten »bio« verlieren sobald die Versäumnisse einmal öffentlichkeitswirksam erläutert wurden. Und das färbt dann auf die gesamte Branche ab.


Updates:

[05.12.2012] Bei einer Veranstaltung des Druckhauses Berlin-Mitte erfuhren wir den Ritterschlag: Ein Vertreter der Epple Druckfarben AG stellte ein Whitepaper zur »Verwendung von Druckfarbe im Akzidenz-Bogenoffset-Prozess« vor, das aus diesem Beitrag zitiert und neben anderen Aspekten die hier formulierte Kritik zum Prinzip für die zukünftige Forschung und Entwicklung erklärt (siehe Links).

[19.02.2014] Auch nach dem Relaunch unserer Website halten wir die Verfügbarkeit dieses Beitrags für sinnvoll, weil inzwischen andere statische Quellen daraus zitieren. Permalink zu diesem Text: http://racken.de/blog/farbrezepturen.

[04.05.2015] Die Druckerei Ulenspiegel aus dem oberbayerischen Andechs widmete der Frage »Wie ökologisch sind ›Bio-‹ Druckfarben?« eine Ausgabe des Newsletters Druckfrisch. Auch zu Soja (›das grüne Gift‹), das in Öko-Druckfarben als alternatives Bindemittel eingesetzt wird, formulierte Guido Schmidt, Umweltbeauftragter bei Ulenspiegel Druck, erhebliche Bedenken: Die Abholzung von Regenwald, Umsiedlungen von Kleinbauern, der Einsatz von Pestiziden und dadurch (durch Häufungen inzwischen nachweisbar) verursachte Erkrankungen legen nahe, dass die deutsche Farbenindustrie, die jährlich etwa 1,8 Millionen Tonnen Soja verarbeitet, ein Problem hat, wenn ein grünes Label auf dem Farbeimer stehen soll. Schmidt bezog auch unsere Recherchen aus 2010 in sein Fazit mit ein. Sekepsis äußerten wir damals auch, was die Verwendung von gentechnisch modifiziertem Saatgut angeht. Schmidt schrieb uns dazu:

»Es gibt einige Druckereien quer durch die Republik, die sich zu diesem Thema positionieren. Natürlich müssen die Farbenhersteller zugeben, dass sie transgenes Soja verwenden. Im O-Ton heißt das: ›auf Grund der Warenströme lässt sich eine Vermischung der Öle nicht verhindern‹. Allerdings sagen sie, dass nach der Raffinierung dieses Öls keine genmanipulierten Bestandteile in der Farbe zurückbleiben. Eine Ähnliche Logik wie bei der Aufbereitung von Rohöl zur Pigmentgewinnung. Was wir Druckereien nun vorbreiten: wir fordern von den Farbherstellern eine Verpflichtung, auf transgenes Sojaöl zur Bindemittelherstellung zu verzichten.«

Weitere Links:
Bildquellen:
  • Abb. 1: © Crispin (für racken)