TSCHÜB German B

Päckchen aus Amerika: Die in Versalien getippte Adresse weist eine XY-STRABE aus. Logisch, denn die Ligatur »ß« ist nur im deutschsprachigen Raum gebräuchlich. Aber Mediengestalter mögen typografische Finessen und fügen ein Foto des Adressaufklebers unter Häme gerne ihren Kuriositätensammlungen hinzu – Berufsehre. Doch auch das Doppel-S ist hier bald nicht mehr richtig, denn nun kommt das Majuskel-Eszett. Noch regelt der Duden, dass es ein »nur im Wortinnern und am Wortende vorkommender, in der Praxis nur als Kleinbuchstabe verwendeter« Buchstabe sei. Der Rat für Rechtschreibung will dies nun ändern, so der Bericht vom Dezember 2016.

MASSVOLL oder MAẞVOLL? Wir wollen das Versaleszett!Wird das Fragezeichen zugunsten des großgeschriebenen »Buckel-S« auf der QWERTZ-Tastatur seinen Platz räumen müssen? Nein, das wäre zu logisch. Vermutlich wird es im Tastaturlayout für den deutschsprachigen Raum über die Kombination AltGr+h erzeugt werden können. Die Schweizer bei Logitech (in deren Land das bei uns so geliebte Eszett gar nicht verwendet wird) werden sich schon etwas ausdenken.

Lückenschluss im Alphabet

Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde ein Versaleszett gefordert. Schriftgießer, -setzer und Verlage können als vorrangige Urheber der Forderung vermutet werden. Neuere Initiativen scheiterten an der technischen Umsetzung. Inzwischen ist das Versaleszett im Unicode-Zeichensatz auf der Position 1E9E einheitlich verankert und hat so beispielsweise auch eine Codierung in HTML (ẞ) erhalten. Eine Änderung der Regeln zur Anwendung ist folglich ein politischer und behördlicher Akt. Vorschläge dieser Art formuliert der Rat für deutsche Rechtschreibung, der dies mit dem »3. Bericht des Rats (2011 – 2016)« Anfang Dezember 2016 getan hat. Die Begründung der Rechtschreibkommission ist schlüssig. Es wird auf die gängige Praxis von Behörden bei der Ausstellung von Personaldokumenten verwiesen, auf versal gesetzte Hinweise auf Produkten von Coca-Cola und Pepsi (kein Witz) und auf investigative TV-Magazin report München, deren Redaktion das Amt des mazedonischen Außenministers Nikola Poposki im Untertitel mit einem zwischen Versalien eingeklemmten kleinen Eszett bezeichnete. Deutungsschwierigkeiten durch die Verwendung des Doppel-S wurden zuvor bereits oft krititisiert, nicht zuletzt von der Redaktion des Duden.

Viel Eszett ist ohnehin nicht geblieben seit der Rechtschreibreform von 1996. Schmerzlich ist der Verlust vor allem beim »Hass«, der an Schärfe im Schriftbild einbüßte, wohingegen das konkurrierende »Bußgeld« wegen des lang gesprochenen Vokals leider nicht an Brisanz verlor. Interessant ist der Vorschlag des Rechtschreibrats jedoch vor allem für die Werbetechnikbranche, denn hier wird gedruckt und geplottet, was uns Wege weist. Oft ist eine STRASSE mit dabei. Bei Zustimmung durch die Kultusministerkonferenz wird es dann eine STRAẞE sein.

SCHEISSE oder SCHEIẞE?

Das ist eine kleine Revolution! Im Straßenbild, auf dem Tastaturlayout, auf den Displays der Navigationsgeräte, vor allem aber in der Porzellanstadt Meißen, im bayerischen Haßfurt oder in Gießen – viele neue Möglichkeiten durch die Majuskelligatur. Denn was wird mehr seiner Bedeutung gerecht? »SCHEISSE« oder »SCHEIẞE«? Ganz bestimmt nicht »SCHEIBE«, wie es mangels eines direkt über die Tastatur wählbaren Zeichens sicherlich weiterhin außerhalb unseres Sprachraumes getippt werden wird. Dank Leseflussirritation werden wir über das »German B« also auch zukünftig noch spötteln dürfen.

 


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Anmerkung:

Ein neuer Buchstabe verursacht naturgemäß Darstellungsprobleme auf unterschiedlichen Plattformen. Da Browser (ob mit oder ohne WebKit) verwendete Schriften unterschiedlich darstellen oder alternative Schnitte laden (wenn z.B. Webfont-Derivate bereits auf dem System installiert sind), können wir für das »ẞ« kein einheitliches Bild garantieren. Die Webtypografie ist ein ganz eigenes Kapitel.